Auch wenn nicht mehr alles so ist wie es mal war, so zeigt sich am Beispiel des Klingelbrink der Strukturwandel der Innenstadt besonders deutlich. Schaut man von ehemals Drogerie Schwarz, an der Wasserstraße, in den Klingelbrink hinein, wird einem erst die Sicht durch die an der Fassade hängenden Markisen genommen um dann weiter nur noch einen schmalen Spalt zwischen dem Mauerwerk auf der rechten Seite und den parkenden Autos zur Straße hin zu sehen.

Die Parkplatzbreite am Klingelbrink bei Vorbohle ist 2,40 m. Die Längen sind von 4,00 bis 4,40m. Bei ehemals Güth hat der Parkplatz eine Breite von 2,00 m. Dann wird klar weshalb es so eng ist, und man sich als Fußgänger, Kinderwagenlenker oder Rollstuhlfahrer an den Rand gedrängt fühlt.

Bedingt durch die immer mehr und breiter werdenden Autos, benötigen wir breitere und größere Parkplätze. Gleichzeitig verengt sich dadurch aber auch die Fahrbahn und der übrig gebliebene Fußweg.

PKW
2009 gab es 41,3 Mill. Bevölkerung 81,8 Mill. 0,50 Pkw pro Einwohner
2020 gab es 48,2 Mill. Bevölkerung 83,2 Mill. 0,58 Pkw pro Einwohner

Laut Definition bedeutet der Begriff „Straße“ oder besser gesagt Straßenraum, alle öffentlichen Plätze und Wege inklusiv Rad und Fußweg. Während der Geschäftszeiten gehört die Straße jedoch den fahrenden und parkendem KFZ, nach der Geschäftszeit vorwiegend dem parkenden KFZ. Doch hinter den Fassaden der Häuser wohnen Menschen. Wo ist da noch Platz für Kinder zum Spielen? Wer also möchte hier wohnen, wenn die Kinder die Wohnung nicht alleine gefahrlos verlassen können? Werden dadurch dann nicht erst extra die Kinder per Elterntaxi zum Kindergarten und Grundschule gebracht? Wo findet dann das soziale Miteinander der Kinder nach der Schule statt?

Dieses soziale Miteinander der Bürger findet man nur auf dem mittleren Bereich des Klingelbrink zwischen Gröne und Garda. Gerade Samstags morgens ist dies der schönste und pulsierenste Bereich der Altstadt neben dem Marktgeschehen auf dem Kirchplatz. Ansonsten ist das kommunikative und soziale Leben auf der Straße weitgehend verschwunden, weil jeder nur seinen Geschäften nachgeht und das vordere und hintere Stück des Klingelbrink keine Aufenthaltsqualität hat.

Weiter stellt sich auf dem Teil des Klingelbrink, der zurzeit für den Autoverkehr zugelassen ist eine Frage: Sind Radfahrer und Fußgänger gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer, oder Verkehrshindernisse, und damit ein notwendiges Übel? Können sich Kinder, alte oder gehandicapte Menschen sicher zwischen den Autos in unserer Innenstadt bewegen, oder vermeiden sie auf Grund der Gefahren einen Aufenthalt dort?

Betrachtet man, wo und wie die Fahrräder geparkt werden, überkommt einen das kalte Grausen. Neben den wenigen vorhandenen und zum Teil defekten Fahrradabstellplätzen ist da der wilde Parkbereich vor NKD, wo die meisten Fahrräder auf dem eigenen Ständer stehen. Das funktioniert teils in zwei Reihen hintereinander, so das erst einzelne Räder weggestellt werden müssen, um an das eigene zu kommen. Bei Wind fällt dann manchmal ein Teil der Räder um. Kaum vorzustellen wie es wäre, wenn ein solcher Fahrradabstellplatz so vor einem Schaufenster eines Modegeschäftes wäre.

Gut ist, dass mittlerweile die groben, buckligen Pflastersteine an immer mehr Stellen geebnet wurden, so dass Menschen mit Kinderwagen oder auch Rollstuhl diese Flächen überhaupt, oder wenigstens mit weniger Mühe befahren können.

Im Integrierten Handlungskonzept für den Historischen Stadtkern Wiedenbrück (Isek 2011 Seite 10) Wird auf die zukunftsweisende Bedeutung der Innenstadt hingewiesen:

„Dabei wird nicht vergessen, dass begleitend und unterstützend zu
diesem Prozess gleichzeitig die Sicherung und Stärkung der Innenstadt als Wirtschafts-
standort und Kommunikationsbereich intensiv verfolgt werden muss. Der Altbestand an Häu-
sern stellt hierbei eine besondere Herausforderung dar. Denn nur ein vitaler Innenstadtbe-
reich garantiert auch eine erlebbare Stadt durch den Menschen und wirkt damit der Ver-
ödung der historischen Innenstadt entgegen.“

National und international gibt es viele Beispiele den Wandel der Innenstädte voranzutreiben, z.B. mit einen „PARK(ing) Day“, immer im September. Das ist eine Möglichkeit auszuprobieren wie es ist, wenn der gesamte Klingelbrink für einen Tag, von der Herrschaft des Autos befreit ist
und so zu einer menschenfreundlichen Straße wird. Dann lassen sich auch die Schaufenster wieder unbehindert betrachten.